Brachypelma auratum SCHMIDT, 1992

Brachypelma auratum sp. n., die sogenannte Hochlandform von Brachypelma smithi
(Araneida: Theraphosidae: Theraphosinae)

Von Günter Schmidt, D- 2121 Deutsch Evern

Zur Nomenklatur

Nach der Untersuchung des Typus von Euathlus truculentus Ausserer, 1875 unterliegt es keinem Zweifel, daß die seinerzeitige Synonymisierung von Brachypelma mit Euathlus durch Raven (1985) nicht gerechtfertigt ist, was ich bereits im Arachnol. Anz. Nr. 13 (1991) nach Studium der Originalliteratur über Euathlus und Brachypelma mitgeteilt hatte. Fritzlen (Arachnol. Anz. Nr. 19 1991) war zu demselben Ergebnis gelangt, während Smith (1992), der den Typus von Euathlus truculentus bereits vor mir nachuntersuchen konnte, nach wie vor die Synonymie für gerechtfertigt hielt. 1)

Einleitung

Seit etwa 6 Jahren wird in Liebhaberkreisen diesseits und jenseits des Atlantiks von der typischen Brachypelma smithi eine sogenannte Hochlandform, auch Brachypelma pseudosmithi oder Brachypelma auratum genannt, unterschieden, die aber nicht nur im Hochland vorkommt. Exuvien dieser Form erhielt ich zum ersten Mal von P. Klaas 1989. Bereits 1987 hatte mir L. Kristek von seinen Experimenten (Paarungsversuche zwischen "Brachypelma pseudosmithi" und Brachyplema emilia) berichtet. Das dazugehörende Foto stellte er freundlicherweise für die 3. Auflage meines Buches zur Verfügung (Foto 41). Ich versah es mit der Unterschrift "Werbung von Euathlus smithi vor Euathlus emilia..." da ich
damals (1989) Brachypelma smithi von Brachypelma auratum noch nicht trennte. Am 26.6.1989 schrieb mir Rick West: "the male is not E. smithi but a close species from Sinaloa State, Mexico, therefore should read Euathlus sp. (near smithi). I have seen lots of tarantulas crossbreed but I have never seen the offspring, have you?" In der Tat habe ich nirgends etwas über Nachkommen aus Paarungen zwischen B. smithi und der sog. Hochlandform gelesen.
Nachdem ich mehr Material von B. smithi und seiner Verwandten untersucht hatte, bin ich, in Übereinstimmung mit den vielen Haltern beider Arten, zu der Überzeugung gelangt, daß die sogenannte Hochlandform eine eigenständige Art ist.
In der von Valerio 1980 gegebenen Gattungsdiagnose heißt es: La espermateca presenta una ondulation en el borde anterior. Dieses Kennzeichen gilt nicht, wie ich im Arachnol. Anz. 3 (1) 1992 schrieb, für B. auratum, wie die Spezies in Zukunft bezeichnet werden soll. Da es sich aber zweifellos um eine Brachypelmaart im Sinne von Simon 1890 und Valerio 1980 handelt, muß die Gattungsdiagnose wie folgt geändert werden: "Spermathek an der Vorderseite mit oder ohne mehr oder weniger ausgeprägter Delle". Übrigens weist auch Megaphobema mesomelas dort keine Delle auf, eine Art, welche früher häufig zu Brachypelma gestellt worden war.

Eine Artbeschreibung wollte ich erst nach Vorliegen von Material beider Geschlechter vornehmen. Das mir bislang fehlende Männchen erhielt ich von Herr F. Fritzlen.

Brachypelma auratum spec. n.


Material:

1 Männchen (Holotyp, ded. Fritzlen 22.2.1992), Mexico, Oktober 1990, vermutlich Provinz Sinaloa; 4 Exuvien von Weibchen, Paratypoide, ded. Klaas 1989, Mexico, vermutlich gleicher Fundort. Der Holotyp wird dem Senckenbergmuseum, Frankfurt zur Verfügung gestellt werden.

Derivatio nominis:

Von lat. auratus = golden, wegen der orangeroten Flammenzeichnung auf den Patellen.

Diagnose:

Eine ähnlich B. smithi gezeichnete Art mit orangeroter Flammenzeichnung auf der Dorsalseite sämtlicher Patellen und an den Vorderseiten gerundeter Spermathek ohne Delle am Vorderrand.

Beschreibung:


Männchen


Körperlänge: 42mm, Carapax 22x20 mm, Abdomen 20x14 mm, Chelizerengrundglied 9 mm.

Beinformel: IV, I, II, III.

Gliedmaßen:

Tabelle 1

Bulbus und Embolus 6mm, Tastertibia dünner als bei B. smithi.

Relationen: Carapax länger als Met. IV. Patella + Tibia 1 etwas länger als Patella + Tibia IV (Unterschied gegenüber B. smithi).

Bestachelung: Taster: -. I: Ti pv 1, M v a 2. II: M v a 4. III: Ti pl 1-1, v a 1, M v 1-1-1, rl a 1, pl 2-2-2. IV: Ti pl 1-1-1, v a 2, rl 1, M pl 1-1-1, v 2-2-2-2-2-2-4, rl 1-1-1.

Scopula: Alle Tarsen vollständig, Met I und II vollständig, Met III mehr als 1/2, Met IV 1/2 scopuliert.

Clypeus: Schmal, schmaler als Mittelaugentrapez.

Augenhügel: Höher als der höchste Punkt des Carapax, doppelt so breit wie lang, mit nasenartigem Vorsprung vor den VMA. VA-Reihe leicht procurv, HA-Reihe recurv. VSA größer als VMA und HSA. SA einander viel näher als VMA. Maße in µm: VMA 661, VSA 882, HMA 661, HSA 706, VMA-VMA 792, VMA- VSA 176, VMA-HMA 264. HSA-HSA 441. HMA-HSA 176, HMA-HMA 1760.

Sternum: 9 x 6 mm, hinten breit abgestuzt. Hintere Sternalsigillen schrägoval, halb so weit vom Sternumrand entfernt wie ihrem Längsdurchmesser entspricht.

Labium: Viel länger als breit, apikal mit etwa 7 Reihen von Dörnchenhöckern.

Chelizeren: Mit etwa 8 Zähnen, die wegen der dichten Behaarung nur schwer erkennbar sind.

Thoraxgrube: Transversal, tief, nicht so breit wie der Augenhügel.

Spinnwarzen: 9mm, sehr dünn. Erstes und letztes Glied etwa gleich groß, 2. am kleinsten.

Bulbus und Embolus: s. Abb, Embolus breit kellenförmig Tibia-Apophysen: Ventral gelegen (gegensatz zu Euathlus!), ohne apikale Protuberanzen.

Fiederborsten: Basal an Femur und Trochanter 1 pl.

Färbung und Zeichnung: Wie B. smithi, aber mit orangeroter Flammenzeichnung auf der Dorsalseite sämtlicher Patellen sowie breiten weißen bis gelbweißen Querbändern distal an Trochanter, Patella, Tibia und Metatarsus. Schmale weiße Querbänder distal an Femora.

Weibchen:


Carapax: 22 x 20 mm, Chelizerenbasalglied: 15mm

Taster: Femur pl stärker als beim Männchen gebogen.

Gliedmaßen:

Tabelle 2

Relationen: Patelle + Tibia I kürzer als Patella + Tibia IV.

Scopula: wie beim Männchen.

Bestachelung: Taster: P pl 1, Ti v a 4, pl 1-1, rl 1. I: Ti v a 2, rv 1, M v a 2. II: Ti plk 1-1-1, vm 1, M v a 2. III: Ti pl 1-1-1, v a 1, rl m 1, M pl 1-1, v 2-2-, rl 1-1. IV: Ti pl 1, v a 2, rl 1-1, M pl, v 2-2-2-2.

Sternum und Labium: Wie beim Männchen.

Chelizeren: Mit 9 großen Zähnen und 15 kleinen gegenüber 7. und 8.

Fiederborsten: An Trochanteren und Femora des Tasters rl und 1. Beines pl, am Femur über fast 2/3 des Segments.

Spermathek: Einteilig, am Vorderrand ohne Einkerbung oder Delle, an den Vorderseiten gerundet (Abb.).

Färbung und Zeichnung: Wie beim Männchen.

Diskussion:

Obgleich diese Art seit mindestens 1987 bekannt ist, unter den verschiedensten Namen gehandelt wurde und etwa ebenso häufig wie B. smihti gehalten wird, fehlte bis jetzt eine Beschreibung. Zweifellos ist B. smithi die nächstverwandte Spezies. Sie ist lt. Smith (1986) in Mazatlan, Papagayo, Colima, Nayarit, Guerriro und Chiapas gesammelt worden.
Die Unterscheidung beider Arten gelingt leicht durch die verschiedenen Zeichnungen der Patellen und die Form der Spermathek, welche bei B. smithi am Vorderrand leicht eingesenkt (Abb.) und nie so gleichmäßig gerundet wie bei B. auratum ist. Die Form des Bulbus und Embolus unterscheidet beide Arten deutlich. Bei B. smithi ist der Embolus nicht so breit kellenförmig. Die Tastertibia ist dicker. Die Thoraxgrube ist beim Männchen vom B. smithi recurv. Metatarsus IV ist bei B. smithi nicht bis zur Hälfte scopuliert. Die Zahl der Dörnchen auf dem Labium ist geringer. Es wäre wünschenswert, auch diese schöne Art unter Schutz zu stellen, da zu befürchten ist, daß sie jetzt, da ihrer Eigenständigkeit feststeht, anstelle von B. smithi verstärkt exportiert werden wird.

Zusammenfassung:

Die seit Jahren bekannte sogenannte "Hochlandform von B. smithi" wird als B. auratum sp. n. beschrieben. Sie unterscheidet sich vor allem durch die Form des Embolus und die an den Seiten gerundete und nicht eingedellte Spermathek, die orangerote Flammenzeichnung auf den Patellen sowie die deutlichen weißen Querbänder an Trochanter, Patella, Tibia und Metatarsus von B. smithi.

Summary:

B. auratum differs from B. smithi especially by the shape of the embolus and the spermatheca, which is in anterior edge rounded an without any shallow notch. All patellae show orange flame markings, all trochanters, patellae tibiae and metatarsae have distinct white stripes distally.

Abbildungsverzeichnis:

1. Bulbus und Embolus von Brachypelma auratum sp. n.
2. Bulbus und Embolus von Brachypelma smithi (F. Cambridge 1897)
3. Spermathek von Brachypelma auratum sp. n.
4. Spermathek von Brachypelma smithi (F. Cambridge 1897)

Literatur:

Fritzlen, F. (1991): Brachypelma contra Euathlus (Araneae, Mygalmorphae, Theraphosidae). Kritische Anmerkungen zu Raven's Revision der Mygalomorphae.- Arachnol. Anz. 19: 14-17.
Raven, R. (1985): The spider infraorder mygalomorphae (Araneae): Cladistic and systematics. - Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 182 (1): 121, 150
Schmidt, G. (1989): Vogelspinnen, 3. Aufl. Blüchel & Philler, Minden 126 pp.
Schmidt, G (1991): Revision der Gattung Megaphobema (Araneida: Theraphosidae: Theraphosinae). - Arachnol. Anz. 13: 11-13.
Schmidt, G. (1992): Brachypelma Simon 1890 oder Euathlus Ausserer 1875? - Arachnol. Anz. 3 (1): 9-11.
Simon, E. (1890): Liste des Aviculariidae qui hab. le Mexico et l'Amerique centr.. - Act. Soc. Linn. Bord. 44: 338
Smith, A. (1986): The tarantula classification and identification guide, Fitzgerald, London, 50-51.
Smith, A. (1992): In defense of Ravens's decision to make the genus Braypelma Simon 1891 a junior synonymy of Euathlus Ausserer 1875. - British Tarantula Soc. J. 7(3): 14-19.
Valerio, C. (1980): Aranas terafosidas de Costa Rica (Araneae, Therphosidae). I. Sericopelma y Brachypelma, - Brenesia 18: 259-288.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Günter Schmidt, Von-Kleist-Weg 4, D-2121 Deutsch Evern

Quelle: Arachnologischer Anzeiger 8/1992





Tabellen


Tabelle 1:
  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 11 8 10 - 3 32
Bein I 18 10 15 15 9 67
Bein II 17 9 13 15 9 63
Bein III 16 8 13 15 9 61
Bein IV 17 9 15 19 10 70

Tabelle 2:

  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 12 8 9 - 8 37
Bein I 16 10 12 11 7 56
Bein II 14 9 11 11 8 53
Bein III 13 9 10 12 7 50
Bein IV 15 10 13 18 8 64