Chaetopelma karlamani VOLLMER, 1997

Patrick Vollmer

Chaetopelma karlamani sp. n.,
(Araneida: Theraphosidae: Ischnocolinae)
eine Vogelspinne aus Nord-Zypern

Abstract:

A new Chaetopelma-species from North-cyprus (Besparmak-mountain) is described. It differs from other species of this genus by two very seperate receptacles who thicken at the end, the structure of palpal bulb and an extreme short bodysize. Ischnocolus gracilis (AUSSERER, 1871) is transferred to the genus Chaetopelma (AUSSERER, 1871) and Chaetopelma aegyptiacum (AUSSERER, 1871) is synonymy with Chaetopelma gracile.

Einleitung:

Während einer Sammelreise im Januar 1995 auf Nordzypern wurde ein etwa 2 cm großes Weibchen einer Theraphosidae gefunden. Bisher waren 2 Arten dieser Familie von Zypern bekannt. Es handelt sich dabei um Chaetopelma aegyptiacum (AUSSERER, 1871) und Ischnocolus gracilis (AUSSERER, 1871).
Da dieses adulte Weibchen gegenüber Chaetopelma aegyptiacum eine recht geringe Körpergröße aufwies, lag zuerst einmal der Schluß nahe, daß es sich bei dieser Art um Ischnocolus gracilis (AUSSERER, 1871) handeln könnte. Im März 1995 gelang es meinem Freund Herrn Karlaman, ein etwa 1,5 cm großes adultes Männchen und 4 weitere Weibchen zu sammeln. Auf weiteren Reisen konnten Exemplare beiderlei Geschlechts gesammelt werden. Nähere taxonomische Untersuchungen, insbesondere nach dem Bekanntwerden der Männchen ergaben, daß es sich nicht um Ischnocolus handeln konnte.
Zweifelsfrei wurden die Tiere der Gattung Chaetopelma zugeordnet. Hierzu ist es im übrigen unumgänglich das männliche Geschlecht vorliegen zu haben, da eine sichere Unterscheidung nur anhand des Fehlens oder Vorhandenseins der Tibiaaphophysen erfolgen kann. Am 09.05.1997 hatte der Autor die Möglichkeit, bei seinem Kollegen Jan-Peter Rudloff das Typusmaterial von Ischnocolus gracilis (coll. Musei Vindobonensis, Arachn. Inv. No. 114, Ischnocolus gracilis Auss. Cypern A.d. 1862, A.N.I.4 leg. Kotschy 1 Ex.) zu untersuchen, welches im freundlicherweise von DR. GRUBER, Naturhistorisches Museum Wien, zur Verfügung gestellt wurde. Dieses Tier wurde mit Material von Chaetopelma aegyptiacum (ex. Zypern) sowie mit den Exemplaren der fraglichen Art aus Zypern verglichen. Es wurde festgestellt, daß es sich bei dem Holotypus von Ischnocolus gracilis um ein juveniles Weibchen von Chaetopelma aegyptiacum handelt. Das Tier zeigt trotz der noch nicht eingetretenen Reife alle Merkmale von Chaetopelma aegyptiacum, auch das Genital weist sicher auf diese Art (s. Abb. 1, 2). Somit muß Ischnocolus gracilis in die Gattung Chaetopelma überführt werden und aufgrund der Priorität (Nomenkl. Regeln Artikel 24 ii) ist Chaetopelma aegyptiacum ein Synonym von Chaetopelma gracile.

Synopsis:

Chaetopelma gracile (AUSSERER, 1871)-Chaetopelma aegyptiacum (AUSSERER, 1871)
Chaetopelma karlamani sp. n.

Chaetopelma karlamani sp. n.


Diagnose:

Spermathek des Weibchens mit 2 weit auseinander stehenden Receptakeln, welche am Ende leicht verdickt sind. Art mit für diese Gattung ungewöhnlicher geringer Körpergröße, besonders auffällig im männlichen Geschlecht. Die Struktur von Bulbus und Embolus unterscheidet sich von denen der bisher bekannten Arten der Gattung (s. Abb. 3, 4).

Material:

1 Männchen (Holotyp) leg. R. Karlaman, 28.3.1995 Lapta (Nord-Zypern) im Ziegenstall unter einem Stein.

1 Weibchen (Paratyp Nr. 1) leg. P. Vollmer 03.01.1995 Karaman (Nord-Zypern) im Garten eines Ferienhauses unter verrottenden Holzbalken.

Das Material wird dem Naturhistorischen Museum in Wien zur Verfügung gestellt.
Weitere Belegexemplare gehen an folgende Museen und Sammlungen:
Paratypen Nr. 2 und 3: 1,1 Chaetopelma karlamani - Amer. Mus. of Nat. History, New York, USA,
Paratypen Nr. 4 und 5: 1,1 Chaetopelma karlamani - Brit. Mus. of Nat. and History, London, England,
Paratypen Nr. 6 und 7: 1,1 Chaetopelma karlamani - Berliner Naturkundemuseum (ZMB), Berlin, Deutschland,
Paratypen Nr. 8 und 9: 1,1 Chaetopelma karlamani - Mus. for Nat. and Archaeology, Güzelyurt, Türkische Republik Nord-Zypern,
Paratypen Nr. 10 und 11: 1,1 Chaetopelma karlamani - J.P. Rudloff, Sammlung Phyllodrom, Leipzig, Deutschland,
Paratypen Nr. 12 bis 24: Sammlung Patrick Vollmer, Krefeld, Deutschland

Weitere Serien von Tieren, als Chaetopelma aegyptiacum etikettiert (ded. KOCH) wurden im Museum Berlin untersucht. Fundorte der Tiere lagen in Syrien, Jerusalem (Israel) und Ägypten. Sie sind identisch mit Chaetopelma gracile von Zypern.

Methoden:

Die Untersuchung wurde mit einem Binokular MBS-10 bei 30-60facher Vergrößerung, die Messungen mit einem Meßokular durchgeführt. Die Spermathek wurde herauspräpariert und in einem Genitalgläschen beim Paratyp Nr. 1 aufbewahrt.

Derivatio nominis:

Die Art wird zu Ehren Herrn Karlaman, dem Sammler des ersten männlichen Exemplares, benannt.

Beschreibung - Männchen (Maße in mm):


Cephalothorax: Länge 5,5; Breite 4,2

Gliedmaßen:

Tabelle 1

Beinformel:

IV, I, II, III

Clypeus:

Augenhügel randnah

Augenhügel:

Länge: 0,7; Breite: 0,9 (s. Abb. 5)

Sternum:

Länge: 2,6; Breite: 1,3 (s. Abb. 6)

Labium:

Breite: 0,8; Länge: 0,9; apikal mit 27 auseinanderstehenden Dornenhöckern (s. Abb. 6)

Tibia-Apophyse:

(s. Abb. 7)

Bulbus und Embolus:

(s. Abb. 3, 4, 8)

Tarsalscopula:

Alle Tarsen voll, Tarsalscopula I gescheitelt, II durch schmales Band von Borsten geteilt, III, IV durch ein breites Band von Borsten geteilt.

Metatarsalscopula:

I, II 2/3, III, IV 1/3

Spinnwarzen:

Basalglied: 0,7; Medialglied: 0,5, Apikalglied: 1,1

Bedornung:

(s. Abb. 9)

Beschreibung - Weibchen (Maße in mm):


Cephalothorax:

Länge: 8,3; Breite: 7,0

Gliedmaßen:

Tabelle 2

Beinformel:

IV, I, II, III

Clypeus:

Augenhügel randnah

Augenhügel:

Länge: 0,85; Breite: 1,45 (s. Abb. 10)

Sternum:

Länge: 3,9; Breite: 1,45 (s. Abb. 11)

Spermathek:

(s. Abb. 12)

Labium:

Breite: 1,6; Länge: 1,1; apikal mit 27 auseinanderstehenden Dornenhöckern (s. Abb. 11)

Tarsalscopula:

Alle Tarsen voll, Tarsalscopula I gescheitelt, II durch schmales Band von Borsten geteilt, III, IV durch ein breites Band von Borsten geteilt.

Metatarsalscopula:

I 3/4, II 1/2, III 1/2, IV 1/3

Spinnwarzen:

Basalglied: 1,6; Medialglied: 1,1; Apikalglied: 1,5

Bedornung:

(s. Abb. 13)

Färbung:

Die Weibchen variieren von dunkel/schokoladen-hellbraun, die adulten Männchen besitzen ein beiges sandbraun.

Diskussion:

Das Weibchen der neuen Chaetopelma-Art besitzt eine Spermathek, deren Receptacula seminis leicht verdickt ist, beim Männchen unterscheidet sich die Struktur des Bulbus und des Embolus von den anderer Arten der Gattung. Ungewöhnlich für die Gattung Chaetopelma ist auch die geringe Körpergröße der Art. Dies fällt besonders bei adulten männlichen Exemplaren auf, deren Carapax-Maße eine Länge von 6 mm nicht erreichen (Maße durch Untersuchung der Serien ermittelt).

Ökologie, Zoogeographie, Biologie:


Ökologie:

Chaetopelma karlamani lebt vorwiegend an sehr feuchten Stellen, z.B. unter großen Steinen, auf Wiesen, an und in Komposthaufen und im abgefallenen Laub von Obst- und Olivenbäumen. Die Tiere legen kleine, ebenerdig liegende Bauten an, die sie mit viel Seide auskleiden. Adulte Tiere der anderen auf Zypern vorkommenden Art, Chaetopelma gracile, bevorzugen Legesteinmauern, Haus- und Felswände, vorwiegend mit nördlicher Ausrichtung. Untersuchungen ergaben, daß die Bauten von Chaetopelma gracile überwiegend in einer Höhe von 1 - 1,5 m liegen.

Zoogeographie:

In unmittelbarer Umgebung menschlicher Siedlungen (z.B. in Wänden von Viehstallungen, Metzgereien, Ort mit hohem Aufkommen an Insekten) kann die Populationsdichte von Chaetopelma gracile 2-4 Tiere pro Quadratmeter betragen. Chaetopelma karlamani erreicht bei ausreichendem Nahrungsangebot (unter Steinen in Viehgehegen) eine Dichte von 3-6 Tieren pro Quadratmeter.
Während Chaetopelma gracile über die gesamte Insel Zypern verbreitet ist, liegt, nach dem jetzigen Wissenstand das Verbreitungsgebiet von Chaetopelma karlamani nur auf der nördlichen Hälfte Zyperns. Dieses Gebiet erstreckt sich auf der Nordseite des Besparmak-Gebirges (s. Karte). Der westlichste Fundort liegt bei Güzelyali, der östlichste bei Arapköy. Dies entspricht einer Ausdehnung von etwa 35 km.

Biologie:

Männliche Tiere beider auf Zypern vorkommenden Arten häuten sich im Herbst zur Reife. Die Paarung findet bei beiden Arten im darauffolgenden Frühjahr statt. Die befruchteten Weibchen von Chaetopelma gracile bauen ihre Kokons Ende Mai bis Mitte Juni, die Jungtiere schlüpfen nach 4 bis 6 Wochen. Die Anzahl der Jungtiere liegt bei 60 bis 110 Stück. Chaetopelma karlamani-Weibchen legen ihre Gelege von Juni bis Ende Juli an, die Zeitigungsdauer liegt zwischen 3 und 5 Wochen. Die Anzahl der Jungtiere liegt bei 15 bis maximal 30 Stück.

Danksagung:

Ich danke Herrn Rudloff für die Durchsicht dieser Arbeit.

Literatur:

Schmidt, Dr. G. 1993: Vogelspinnen 4. Auflage. Landbuch-Verlag Hannover, 54 pp.
Smith, A 1990: Baboon spiders ..., Fitzgerald Publishing London, 108 pp.
Ausserer, A. 1871: Beiträge zur Kenntnis der Arachniden-Familie Territelarie Thorell (Mygalidae Autor) Verh. K.K. Zool.-Bot. Ges. Wien, 187 pp.
Vollmer, P. 1997: Zypern Teil II. Tarantulas of the world, Verlag H.-J. Peters, Wegberg. (6), 12-19.

Abbildungen:

Tabelle 3

Autor:

Patrick Vollmer, Weberstr. 47, 47798 Krefeld

Quelle: Tarantulas of the World, Ausgabe 16 - Dezember 1997



Tabellen


Tabelle 1:
  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 2,8 2 2,3 - 0,8 7,9
Bein I 4,4 2,8 3,2 2,8 2 15,2
Bein II 3,7 2,3 2,6 2,7 2 13,3
Bein III 3,2 2,1 2 2,8 2 12,1
Bein IV 4,5 2,3 3,7 4 2,6 17,1

Tabelle 2:

  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 4,3 3 2,7 - 2,8 12,8
Bein I 5,3 4 4,1 3,1 2,5 19
Bein II 4,5 3,5 3,2 3 2,5 16,7
Bein III 4,1 3 2,4 3,4 2,3 15,2
Bein IV 5,6 3,6 3,9 4,8 2,8 20,7

Tabelle 3:

Abb. 1 Chaetopelma gracile Spermathek von adultem Weibchen
Abb. 2 Chaetopelma gracile Spermathek von juvenilem Weibchen
Abb. 3 Chaetopelma karlamani sp. n. Bulbus und Embolus
Abb. 4 Chaetopelma karlamani sp. n. Bulbus und Embolus
Abb. 5 Chaetopelma karlamani sp. n. Augenhügel Männchen
Abb. 6 Chaetopelma karlamani sp. n. Sternum, Labium Männchen
Abb. 7 Chaetopelma karlamani sp. n. Tibiaapophyse
Abb. 8 Chaetopelma karlamani sp. n. Taster Männchen
Abb. 9 Chaetopelma karlamani sp. n. Bestachelung Beine Männchen
Abb. 10 Chaetopelma karlamani sp. n. Augenhügel Weibchen
Abb. 11 Chaetopelma karlamani sp. n. Sternum, Labium Weibchen
Abb. 12 Chaetopelma karlamani sp. n. Spermathek
Abb. 13 Chaetopelma karlamani sp. n. Bestachelung Beine Weibchen