Aphonopelma bicoloratum STRUCHEN, BRÄNDLE, SCHMIDT, 1996

Ronny STRUCHEN, Daniel BRÄNDLE & Günter SCHMIDT

Eine seltsame Aphonopelma-Art aus Mexiko,
Aphonopelma bicoloratum sp. n.
(Araneida: Theraphosidae: Theraphosinae)

Abstract:

The new Aphonopelma species differs from other species of this genus by a colour close to Brachypelma boehmei SCHMIDT & KLAAS, 1993 in the female with the male has orange coloured legs and black femora. Besides this the male is quite black.

Key words:

Theraphosidae, Aphonopelma albiceps, Brachypelma boehmei, Aphonopelma bicoloratum, Mexiko.

Einleitung:

Am 8.5.1994 schickte STRUCHEN die Exuvie eines Weibchens und das Alkoholpräparat eines Männchens einer mexikanischen Aphonopelma-Art an SCHMIDT, mit der Bitte um Bestimmung. Während das Männchen im Alkohol völlig schwarz aussieht, wobei lediglich die Beine von Patella bis Tarsus etwas blasser erscheinen, ist das Weibchen wie Brachypelma boehmei gefärbt. SCHMIDT vermutete daher zunächst, daß Männchen und Weibchen unterschiedlichen Arten angehören. Die Spermathek zeigte mehr Ähnlichkeit mit der von Brachypelmides klaasi SCHMIDT & KRAUSE, 1994 als mit irgendeiner Aphonopelma-Art, und der Embolus paßte eher zu der A. seemanni-Gruppe als zu der A. texensis-Gruppe. Diese beiden Gruppen sollte man neben der Dugesiella-Gruppe unterscheiden, um eine neue Species besser einordnen zu können. Die die Tiere jedoch keinerlei Fiederhaare an Trochanter und Femur I aufweisen, gehören sie zu Aphonopelma. WEST teilte SCHMIDT am 11.3.1996 mit, daß diese Art, die im weiblichen Geschlecht B. boehmei gleicht, im männlichen jedoch ganz schwarz sei, von Liebhabern als "Aphonopelma boehmei" bezeichnet wird, jedoch noch nicht beschrieben wurde. Daher soll hier die Beschreibung folgen.

Material:

1 adultes Männchen (Holotyp), in Isopropylalkohol konserviert, und eine Exuvie eines adulten Weibchens (Paratyp). Das Material wird dem Senckenbergmuseum, Frankfurt/Main, zur Verfügung gestellt.

Methode:

Die Alkoholleiche bzw. Exuvie wurde mit dem Stereomikroskop "Weso" bei 20facher Vergrößerung untersucht. Augengrößen und -abstände wurden mit dem Meßokular ermittelt.

Derivatio nominis:

Von lat. bicoloratus = zweifarbig, wegen der schwarz-orange Zeichnung des Weibchens.

Diagnose:

Eine im weiblichen Geschlecht wie Brachypelma boehmei, im männlichen mehr oder weniger schwarz gefärbte Species. Spermathek ähnlich Brachypelmides klaasi, Embolus vom Aphonopelma seemanni-Typ.

Beschreibung


Männchen (Holotyp):

Körperlänge 29,4 mm, Carapax 18,0 x 15,0 mm, Opisthosoma 11,4 x 11,2 mm, Chelizerenklaue 6,7 mm, Chelizerengrundglied 7,6 x 5,8 mm.

Beinformel:

IV, I, II, III

Gliedmaßen in mm:

Tabelle 1

Bestachelung:

Tastertibia rl 3. Bein I: Tibia (Ti) v m 1; Bein II: Metatarsus (M) v 1 kleiner Stachel; Bein III: Ti pl 1-1, v 1, rl 1-1, M pl a 1, v m 1, rl m 1; Bein IV: Ti pl 1-1, v 1-1, M v 2-1-2, rl 1.

Scopula:

Tabelle 2

Augenmaße und -abstände in mm:

VMA 0,33, VMA-VMA 0,46, VSA 0,46, VMA-VSA 0,20, HMA (Längsdurchmesser) 0,33, VMA-HMA 0,17, HSA 0,33, HMA-HSA 0,10, VSA-HSA 0,30, HMA-HMA 0,99.

Augenhügel:

1,5 mm (Maß entlang der Körperachse) x 2,2 mm (Maß quer zur Körperachse).

Chelizerenbezahnung (von Basis an):

1 mittelgroßer, 6 große, 1 mittelgroßer, 2 große, hinter dem 8. bis zum 10. außerdem ca. 20 kleine und sehr kleine.

Spinnwarzen:

Basalglied 1,9 mm, Rest nicht mehr vorhanden.

Fovea:

leicht recurv, ca. 4,5 mm x 2,0 mm.

Labium:

3,0 x 2,5 mm und somit länger als breit.

Sternum:

8,0 x 6,0 mm und somit länger als breit.
Ein Paar Sternalsigillen beim 3. Beinpaar, ca. 1 mm vom Rand entfernt, etwa 1 mm lang. Weitere Sternalsigillen konnten nicht gefunden werden, da das Sternum beschädigt ist.

Weibchen (Paratyp):

Körperlänge 42,8 mm, Carapax 17,8 x 15,0 mm, Opisthosoma 25,0 x 16,5 mm, Chelizerenklaue 6,7 mm, Chelizerengrundglied 9,9 x 8,2 mm.

Beinformel:

IV, I, II, III

Gliedmaßen in mm:

Tabelle 3

Bestachelung:

Taster Ti pl m 1, vm 1; Bein I: Ti pl 1-1-0, v m a 2; Bein II: Ti pl 1-1, v m 1, a 1, a 1, M v a 2; Bein III: M pl 1-1-1, v 1-0-2, rl a 1; Bein IV: Ti pl 0-2-1, a 1, rl 1-0-1, M pl 0-1-2, pv 1-1-1-1-2, rv 0-1-1, rl 0-1-1.

Scopula:

Tabelle 4

Augenmaße und -abstände in mm:

VMA 0,39, VMA-VMA 0,36, VSA 0,53, VMA-VSA 0,20, HMA 0,33, VMA-HMA 0,13, HSA 0,33, HMA-HSA 0,20, HMA-HMA 1,18.

Augenhügel:

2,0 mm x 2,0 mm

Chelizerenbezahnung (von Basis an):

5 große, 1 sehr kleiner, 1 großer, 1 mittelgroßer, 1 kleiner, 1 Reihe von 8 kleinen Zähnchen beginnt hinter dem 5. und zieht sich bis zum 9., dazwischen 3 Reihen von winzigen Zähnchen vor dem 8. und 9.

Fovea:

leicht procurv, 1,3 mm x 3,1 mm und somit breiter als lang.

Labium:

2,5 mm x 3,0 mm, somit breiter als lang, apikal mit ca. 50 kleinen Dörnchenhöckern besetzt.

Sternum:

8,5 mm x 8,0 mm, somit länger als breit. Zwei Sigillenpaare vorhanden. Hinteres Paar weniger als 0,5 mm vom Rand entfernt, vorderes Paar randständig. Die vorderen, kleineren Sigillen liegen in der Mitte von Bein II, die hinteren beim Beinpaar III.

Spinnwarzen:

Basalglied 4,0 mm, mittleres Glied 2,5 mm, Englied 3,0 mm, total 9,5 mm.

Spermathek:

zweiteilig, ähnelt der von Brachypelmides klaasi SCHMIDT & KRAUSE, 1994.

Diskussion:

Es ist erstaunlich, daß eine so hübsch gefärbte Aphonopelma-Art bis vor wenigen Jahren unbekannt war. Ebenso überraschend ist die Übereinstimmung in Färbung und Zeichnung zwischen dieser Species und Brachypelma boehmei. Hätte die Art Fiederhaare an Trochanter und Femur I, so würde sie wegen der Form der Spermathek in die Gattung Brachypelmides gestellt werden müssen. Von den Aphonopelma-Arten scheint ihr A. albiceps (POCOCK, 1903) am nächsten zu stehen, von der jedoch das Männchen nicht bekannt ist.
Je mehr Aphonopelma-Arten entdeckt werden, umso mehr steigert sich das Unbehagen über diese Mammutgattung mit mehr als 100 nominellen Arten. Aller Wahrscheinlichkeit nach müssen die südamerikanischen Arten ausgegliedert werden, so daß man von einer Verbreitung ausgehen kann, die sich von den süglichen und südwestlichen USA bis nach Panama erstreckt. Innerhalb der Gattungen empfiehlt es sich, einige Gruppen zu bilden, ähnlich wie es z.B. EXLINE & LEVI bei der Gattung Argyrodes gemacht haben. Alle Arten mit deutlichen Dornen an Coxa und Trochanter I sollten die Dugesiella-Gruppe bilden, die übrigen die A. seemanni-Gruppe, wenn sie einen kurzen und apikal verbreiterten Embolus aufweisen, bzw. die A. texensis-Gruppe, wenn der Embolus lang und apikal spitz ist. Die hier beschriebene Species gehört zusammen mit A. seemanni (F.O.P. CAMBRIGDE, 1897), A. serratum (SIMON, 1890), A. stoicum (CHAMBERLIN, 1925), A. truncatum (F.O.P. CAMBRIDGE, 1897), A. caniceps (SIMON, 1890) und A. duplex (CHAMBERLIN, 1925) in die A. seemanni-Gruppe. Bis auf A. seemanni handelt es sich um mexikanische Arten. A. seemanni ist ebenso wie die in die gleiche Gruppe gehörende Species A. burica VALERIO, 1980 in Costa Rica verbreitet. Aus Nicaragua stammen A. lanceolatum (SIMON, 1890) und A. latens (CHAMBERLIN, 1917). Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch A. alticeps in diese Gruppe zu stellen ist, wenn das Männchen bekannt ist.

Zusammenfassung:

A. bicoloratum sp. n. unterscheidet sich von anderen Arten der Gattung durch eine Färbung und Zeichnung, die im weiblichen Geschlecht der von Brachypelma boehmei praktisch gleicht, während das Männchen im Alkohol völlig schwarz erscheint. Die Spermathek ähnelt der von Brachypelmides klaasi, der Embolus ist relativ kurz und apikal verdickt. Die Art wird daher in die A. seemanni-Gruppe gestellt. Zur besseren Gliederung der Gattung Aphonopelma werden 3 Gruppen gebildet: Dugesiella-, A. seemanni- und A. texensis-Gruppe. Merkmale sind Dornen auf Coxa und Trochanter I sowie die Form des Embolus.

Danksagung:

Herrn Robert SAMM, Nürnberg danken wir für die gelungenen Zeichnungen.

Literatur:

EXLINE, H. & H.W. LEVI (1962): American spiders of the genus Argyrodes (Araneae, Theridiidae).- Bull. Mus. Comp. Zool. 127 (2): 75-204.
SCHMIDT, G. (1994): Vogelspinnen, 4. Aufl., Landbuch-Verlag, Hannover, 151 pp.
SCHMIDT, G. & P. KLAAS (1993): Eine neue Brachypelma-Species aus Mexiko (Araneida: Theraphosidae: Theraphosinae).- Arachnol. Mag. 3 (2) 1995: 10-13.
SCHMIDT, G. & R.H. KRAUSE (1994): Eine neue Vogelspinnen-Species aus Mexiko, Brachypelmides klaasi sp. n. (Araneida: Theraphosidae: Theraphosinae).- Studies on Neotropical Fauna and Environment 29 (1): 7-10.
SMITH, A. (1994): Tarantulas of the U.S.A. and Mexico.- Fitzgerald Publishing, London, 196 pp.
VALERIO, C. (1980): Aranas terafosidas de Costa Rica (Araneae: Theraphosidae) III. Sphaerobothria, Aphonopelma, Pterinopelma, Citharacanthus, Crypsiodromus y Stichoplatus.- Rev. Biol. Trop. 28 (2): 271-296.
WEST, R. (1996): persönliche Mitteilung v. 11.3.1996.

Autoren:

Ronny STRUCHEN, Dössihubelstr. 3, CH-5014 Gretzenbach
Daniel BRÄNDLE, Im Geere 15, CH-8552 Felben
Dr. Günter SCHMIDT, Von-Kleist-Weg 4, D-21407 Deutsch Evern

Quelle: Arachnologisches Magazin 11/1996


Tabellen


Tabelle 1:
  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 10,5 5,3 8,3 - 3,6 27,7
Bein I 15,3 8,0 10,7 13,4 7,3 54,7
Bein II 14,3 7,3 9,7 13,0 7,5 51,8
Bein III 12,4 6,8 9,2 12,0 7,2 47,6
Bein IV 14,1 7,4 13,3 17,7 10,0 62,5

Tabelle 2:

  Tarsus Metatarsus
Taster Bulbus-Ansatz scopuliert -
Bein I voll voll
Bein II voll fast voll
Bein III voll 1/4
Bein IV voll 1/2

Tabelle 3:

  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 8,8 5,0 6,3 - 6,1 26,2
Bein I 12,4 6,2 9,2 8,1 5,8 41,7
Bein II 11,5 6,0 8,2 7,0 5,7 38,4
Bein III 10,2 6,0 5,5 9,2 5,3 36,2
Bein IV 12,5 6,7 10,2 12,2 6,5 48,1

Tabelle 4:

  Tarsus Metatarsus
Taster voll -
Bein I voll fast voll
Bein II voll fast voll
Bein III voll min. 1/2
Bein IV voll 1/3