Eucratoscelus pachypus SCHMIDT, VON WIRTH, 1990

Eine neue Vogelspinnenart aus Tansania
Eucratoscelus pachypus sp. n.
(Araneida: Theraphosidae: Harpactirinae)

von Günter Schmidt und Volker von Wirth

Seit Mitte 1989 ist in Deutschland eine Eucratoscelus-Art im Zoohandel erhältlich, die meist als Eucratoscelus longiceps POCOCK (1898) angeboten wird. Bisher galt das Genus Eucratoscelus als monotypisch mit E. longiceps als Genotyp. Dessen Fundort war Voi, ein kleiner Ort in der Nähe des Tsavo-West-Tierreservats (Kenia). SMITH (1986) gab irrtümlich Zentralafrika als Heimat dieser Spezies an.

Bei genauem Studium der Originalbeschreibung von POCOCK stellte sich heraus, dass es sich bei den nach Deutschland importierten Exemplaren aus Tansania um eine andere Spezies handelte, die bisher unbeschrieben war. Das auffälligste Kennzeichen der neuen Art ist die starke Verdickung von Tibia und Metatarsus des 4. Beinpaares. Bei E. longiceps ist lediglich die Tibia IV verdickt, was als wichtigstes Kriterium zur Abgrenzung der Gattung von Pterinochilus von POCOCK herausgestellt wurde. Aufgrund der neuen Funde muss die Gattungsdiagnose von Eucratoscelus wie folgt erweitert werden:

Tibia IV oder Tibia IV und Metatarsus IV verdickt, Thoraxgrube gerade oder leicht procurv, Stridulationsborsten auf Coxen der Taster nicht vorhanden, Clypeus breit, Stacheln aus Tibia und Metatarsus III und IV oder zusätzlich auf Tibia II, Männchen mit einsporiger Apophyse, die einen Dorn trägt.

Eucratoscelus pachypus sp. n.


1 Weibchen (Holotyp, ded. M. Bullmer, Januar 1990), 1 Weibchen (Paratypoid, ded. V. von Wirth, August 1989)

Fundorte: Tansania ohne nähere Angabe

Diagnose:

Relativ kleine Spezies. Von E. longiceps durch verdickten Metatarsus IV unterschieden; 4. Bein mehr als 3 x Carapaxlänge.

Derivato nominis:

von pachys=dick und pus=Fuss (altgriechisch)

Beschreibung (Maße des Paratypoids in Klammern):


Körperlänge 35mm (40mm) lang, Carapax 15x11mm (17,5x12mm), mit Chelizeren 20mm (24mm)

Gliedmaßen in mm

Tabelle 1

Bestachelung:

Taster: -, I: -, II: Tibia ventral prolateral apikal 1, Metatarsus -, III: Tibia ventral prolateral apikal 1, ventral retrolateral, apikal 1, Metatarsus dorsal retrolateral apikal 1, ventral prolateral submedial 1, IV: Tibia ventral retrolateral apikal 1, ventral prolateral apikal 2, Metatarsus dorsal retrolateral apikal 1, ventral prolateral apikal nahe der Scopula 1

Scopula:

Alle Tarsen vollständig scopuliert. Metatarsus I und II vollständig scopuliert. Metatarsus III zu 3/4, Metatarsus IV 1/2 (2/3) scopuliert. Scopula des Metatarsus IV durch längere Haare geteilt. Tibia und Metatarsus IV dicht und lang behaart.

Breite der Beinglieder I und IV:

Patella I 3,5mm, IV 5mm, Tibia I 3,2mm, IV 6mm, Metatarsus I 2,5mm, IV 5,7mm

Dicke der Beinglieder I und IV:

Patella I 3,5mm, IV 5mm, Tibia I 3mm, IV 6,5mm, Metatarsus I 2,5, IV 6mm

Relationen:

Carapax länger als Patella + Tibia I, kürzer als Patella + Tibia IV und etwas breiter als Patella + Tibia der Taster. Patella + Tibia IV bedeutend länger als Patella + Tibia I. Alle Tarsen etwa gleich lang, Tibia II und III etwa gleich lang. Breite des Carapax gleich Metatarsus + Tarsus III. Carapax so breit wie der Abstand Thoraxgrube bis vorderer Carapaxrand, Bein IV länger als dreifache Carapaxlänge, Tibia IV kürzer als Femur IV, Metatarsus I weniger als 1/3 der Tasterlänge.

Clypeus:

Breit, breiter als der Abstand der Vordermittelaugen von einander.

Augenhügel:

Sehr hoch, fast rund, Vorderaugenreihe procurv, Hinteraugenreihe wenig recurv, fast gerade, VSA etwas grösser als VMA, diese so gross wie HMA, HSA etwas grösser als VMA. Abstand VMA-VSA etwas grösser als VSA-HSA. HMA-HSA etwas kleiner als VMA-HMA, VMA-VMA etwa VMA-VSA

Thoraxgrube:

Schwach procurv, etwas breiter als der Augenhügel. Thoraxgrube - hinterer Crapaxrand 4mm (5,5mm), Thoraxgrube - vorderer Carapaxrand 11mm (12mm)

Chelizeren:

Retrolateral mit Polster aus Fiederhaaren, Falzrand mit 9 grossen Zähnen in einer Reihe, daneben 28 mittelgrosse bis kleine Zähnchen.

Taster:

Keine Stridulationsstäbchen an Trochanteren.

Labium:

Breiter als lang, trapezoid mit mehr als 30 Dörnchenhöckern in 4 bis 5 Reihen.

Sternum:

Mit 2 Paar schwach sichtbaren Sigillen in der Nähe des Randes.

Spinnwarzen:

Vordere Spinnwarzen etwas länger als das 3. Glied der hinteren Spinnwarzen. Dieses länger als das 2., fast so lang wie das 1. Glied.

Spermathek:

2 Receptacula seminis, deren jedes an der Aussenseite apikal einen ovalen Lobus besitzt.

Färbung:

Beim Holotyp sind der Cephalothorax, die Beine und das Abdomen schokoladenbraun. Abdomen und Beine mit schwach rötlichen Haaren. Beine an den Gelenken mit blass-gelblichen Haaren. Paratypoid war vor der Häutung grau-bräunlich. Die Hinterbeine waren wesentlich dunkler als der Körper einschliesslich der übrigen Beine. Nach der Häutung war das Tier sehr dunkelbraun, das 4. Beinpaar fast schwarz. In der Färbung ist die neue Art kaum von E.longiceps unterschieden.

Diskussion:

Die neue Art unterscheidet sich im wesentlichen durch die stark verdickten Metatarsen IV von E. longiceps. Sie ist auch kleiner (E. longiceps: 55mm lang, Carapax 21,5 x 14,5mm). Das 4. Beinpaar ist relativ länger in Relation zur Carapaxlänge (bei E. longiceps ist das 4. Beinpaar weniger als dreimal so lang wie der Carapax). Die Bestachelung von Tibia und Metatarsus IV ist abweichend. Bei E. longiceps finden sich 2 Stacheln ventral apikal nebeneinander an der Tibia sowie je ein Stachel medial median ventral und ventral im apikalen Drittel des Metatarsus. Ferner finden sich dort 2 apikale Stacheln nebeneinander auf der Ventralseite. Auch die Chelizerenbezahnung ist abweichend. Bei E. longiceps stehen 13 Zähne in einer Reihe, von denen 8 mittelgross bis gross, 3 klein und 2 sehr klein sind. Neben dem vorletzten Zahn steht ein weiterer kleiner. Die Spermathek besteht bei E. longiceps ebenfalls aus 2 Receptacula seminis, deren breites Basalstück stumpfwinklig in den schmalen Apikalteil übergeht. Die davon abgehenden apikalen Loben sind jedoch länglich.

Zusammenfassung:

Es wird eine Art der Gattung Eucratoscelus, E. pachypus, beschrieben, die sich durch geringere Körpergrösse, verdickten Metatarsus IV, im Vergleich zum Carapax relativ längeres 4. Beinpaar, reduzierte Bestachelung, andere Chelizerenbezahnung und abweichende Form der Spermatheken von E. longiceps unterscheidet und aus Tansania stammt.

Literatur:

Pocock, R. (1898): On the Scorpion, Spider and Solpugas coll. by Betton in Brit. East-Africa. Proc. Zool. Soc. London, p. 500
Simon, E. (1903): Histoire naturelle des Araignées 2 (4): 500
Smith, A. (1986): Tarantula classification and identification guide, Fitzgerald, London, p. 129
Smith, A. (1990): Baboon Spiders, Tarantulas of Africa and the Middle East, Fitzgerald Publ. London, p. 63, 65, 78-79

Anschrift der Verfasser:

Dr. Günter Schmidt, Von-Kleist-Weg 4, D-21407 Deutsch Evern
Volker von Wirth, Schillerstrasse 87, D-5130 Geilenkirchen

Quelle: Arachnologischer Anzeiger Nr. 6 (9/1990)



Tabellen


Tabelle 1:
  Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 8 (8) 5 (7) 5 (4,8) - 5 (5,1) 23 (24,9)
Bein I 12 (11) 6 (8,5) 7 (7) 7 (7) 5 (5,5) 37 (40)
Bein II 10 (9,8) 5 (8,5) 6 (6) 6 (6,5) 5 (5) 32 (35,8)
Bein III 9 (8,8) 5 (8) 6 (6) 6 (7) 5 (5) 31 (34,8)
Bein IV 12 (13) 9 (10) 10 (13) 10 (15) 5 (6) 46 (57)